Referat für Drachen

Die entwurzelten Drachen des Siebengebirges

Stunde der Drachen 2015

KÖNIGSWINTER (BAFMW) – Ich wollte mich um das Thema Drachen im SIebengebirge drücken. Aber mahnend lag gestern vor mir auf dem Bürgersteig eine vom Wind herangetragene, leicht verdreckte Spielkarte, direkt vor meinen Füßen, und erinnerte mich an mein Versprechen. Einen Eid hatte ich nicht geleistet, nein. Aber ich hatte es versprochen.

Erinnerung an ein Versprechen
Erinnerung an ein Versprechen

Wer diese Karte vor mir materialisierte, weiß ich nicht, aber das tut auch nichts zur Sache. Denn die Botschaft war klar. Und dass ich beobachtet werde, aus der Ferne, war schon lange klar.
Und nun sitze ich hier und schreibe, trotz vollem Terminkalender und Zeitdruck, was ich schreiben muss, damit den entwurzelten Walddrachen und anderen Drachen im Siebengebirge Hilfe zuteil wird.
Sie sind Überlebende einer sehr alten Kultur und nur wenige eingeweihte Menschen (ich kenne außer mir nur noch einen) wissen um ihre Existenz.
Vor vielen Jahrhunderten lebten viele Drachen im Siebengebirge, darunter mehrere Kolonien Walddrachen. Sie nannten sich Wolkendrachen, Löwendrachen, Stenzeldrachen usw. Ihre Burgen kann man zum Teil heute noch sehen.
Sie waren sehr friedlich und liebten es, auf den Felsen des höchsten Berges des Siebengebirges zu liegen, sich gegenseitig einzuölen und sich in der Sonne aalend das Rheinpanorama zu genießen.
Als die Menschen aus der Ebene sich in das Gebiet hinein ausbreiteten und immer öfter waffenstrotzend durch die Wälder marschierten, zogen sich die sehr friedliebenden (im übrigen vegetarisch lebenden) Walddrachen tief in das Siebengebirge zurück. In den – heute sogenannten Ofenkaulen – tief im Inneren der Berge waren sie sicher. Übrigens leitet sich der Name von „am Ofen kraulen“ ab, denn die Drachen im Siebengebirge verbrachten Jahrhunderte damit, an den vom Drachenfeuer gespeisten Öfen zu liegen und sich gegenseitig die harten Schuppen zu kraulen. Dabei träumten sie von der Oberwelt, der Sonne und der guten alten friedlichen Zeit.

Die Drachen im Siegenbirge und das Zwielicht der Welt

Detailaufnahme: Fuß eines Walddrachens (Foto: A.S.)
Detailaufnahme: Fuß eines Walddrachens (Foto: A.S.)

Die folgenden Generationen Walddrachen, die in der Unterwelt das Licht – nein – man kann sagen, das Zwielicht der Welt erblickten, kannten es gar nicht anders und aus den noch konkreten Erinnerungen an die Natur und Tiere der Oberwelt wurden Sagen, Mythen und Märchen.

Und während die Drachen im schummrigen Zwielicht verbrachten, herrschte an der Oberwelt schäumende Zwietracht.

Römer und Ritter vereinnahmten die Burgen. Könige regierten. Kaiser und Kaufmannsleut´ beherrschten die Menschenwelt.
Die Jahrhunderte verstrichen.
Und wagte sich dann und wann ein mutiger Walddrache an die Oberfläche, fand er ein grausames Ende. Nie kehrte einer zurück.
Die Menschen besiegten den Frieden.
Der Name Siegfried von Xanten wurde verbreitet und eine Warnung des Nibelungen an die noch lebenden Drachen im Siebengebirge, die sich tiefer und tiefer in Berge wie den Drachenfels zurückzogen.
Eines Tages entdeckten die Menschen den Zugang zu den Höhlen im Siebengebirge.
Über viele Generationen hatte die Evolution die Körper der Walddrachen der Umgebung angepasst. Sie waren wesentlich kleiner und schmaler als früher. Konnten in der Dunkelheit mehr fühlen und hören als sehen. Sie hatten sogar glatte Haut bekommen (die Entsorgung der massenhaft anfallenden Sommer- und Winterschuppen war zu einem großen Problem geworden, denn als Brennmaterial genutzt ergaben sie zu viel streng riechenden Rauch, der die Menschen aufmerksam hätte machen können.)

Drachenei Denkmal in Wachtberg (Foto: A.S.)
Drachenei Denkmal in Wachtberg (Foto: A.S.)

Als die Menschen eindrangen und die Ofenkraulen (wie die Höhlen in Wahrheit heißen) für sich veränderten und großräumig umgestalteten, brach Panik bei den Drachen im Siebengebirge aus.
Wer schon klein genug war zwängte sich durch Spalten in noch tiefere Tiefen[1], aber alle älteren Tiere waren dem Wüten der Menschen schutzlos ausgeliefert. [2] Einige halbwüchsiger Walddrachen schaffte es damals durch einen Gang – unterhalb des großen Felsens – zu entkommen. Sie brachen sich in großer Panik mit ihrer enormen Kraft einen Ausgang durch das Gestein und rollten, purzelten, schlidderten von der Sonne geblendet den steilen noch leicht mit Schnee bedeckten Hang hinab zum ehemaligen Römerhafen.
Das stark strömende Hochwasser riss sie mit und einem Reflex folgend tauchten sie in den eiskalten Fluten unter und schwammen um ihr Leben. Zum Glück hat ein Walddrache genügend inneres Feuer um diese Kälte zu überleben.
Nur eine kleine Gruppe Frauen hatte dieses Ereignis beobachtet. Sie waren vor Angst und Schrecken halb irre geworden, stammelten über Monate nur noch die Worte „Drachen!“ und „Fels!“ und versuchten durch Pantomime das Gesehene zu untermalen. Doch sie wurden schlichtweg für geistig umnachtet erklärt.

Panik unter den Drachen im Siebengebirge

Schleifspur einer Drachenschwanzspitze am Rheinufer. Typisch für Drachen im Siebengebirge. (Foto: A.S.)
Schleifspur einer Drachenschwanzspitze am Rheinufer. Typisch für Drachen im Siebengebirge. (Foto: A.S.)

Die großer Drachen tauchten in Panik unter im eiskalten Rhein. Die am tiefsten abgetauchten armen ertrinkenden Kreaturen spuckten mit ihrem letzten Atemzug ihr letztes Feuer aus, wodurch das Wasser um sie herum schlagartig verdampfte und Sauerstoff frei gab für einige wenige oberhalb schwimmende Walddrachen, die so überleben konnten. Ohne Orientierung und erschöpft erreichten sie ein rettendes Ufer und verbargen sich ängstlich in einer wild bewucherten Auenlandschaft.

Da ein Walddrache keine Ente ist und mit dem alle paar Monate[4] kommenden Hochwasser nicht zurecht kommt, und erst recht keiner die erneute Überquerung des Flusses wagte (die Brücke gab es damals noch nicht), machten sich die Überlebenden auf den Weg durch die Ebene mit Obstbäumen und Feldern zu der nächsten erreichbaren Höhe, um im dichtem Wald Schutz zu finden. Von der ungewohnten Nahrung und Dauerstress geplagt, leideten fast alle Drachen im Siebengebirge an psychosomatischen Störungen und häufigem Erbrechen. Der Name Kotzenforst (heute Kottenforst) zeigt, dass die Menschen wohl den ungewöhnlichen Geruch wahrnahmen, ihn aber nicht genau zuordnen konnten.

Versteinerte Spur des Hinterfußes eines Drachen im Siebengebirge (Foto: A.S.)
Versteinerte Spur des Hinterfußes eines Drachen im Siebengebirge (Foto: A.S.)

Aus den Wäldern heraus kommend, auf der Suche nach neuen Höhlen im Vulkangestein gelangten die Siebengebirgs-Drachen in ein herrliches Ländchen[5] mit schmackhaftem Obst. Ihre Spuren wurden leider von den Menschen entdeckt, die darauf hin Wachtürme und –berge errichteten um die Plantagen zu schützen und die Drachen zu verjagen.
Um die Menschen zu besänftigen und als Freunde zu gewinnen opferten die Drachen eines ihrer wertvollen Eier, hinterließen es in einer harten Hunger- und Notzeit den Menschen als lebensrettende Nahrung. Doch haben die Menschen diese Geste nicht verstanden und – wie so oft in der Geschichte – die Realität nicht sehen wollen. Sie verbreiteten den Mythos, die Nahrung sei vom Himmel gefallen.[6]

Nase eines im Laubhaufen versteckten Walddrachens (Foto: A.S.)
Nase eines im Laubhaufen versteckten Walddrachens (Foto: A.S.)

Im Laufe der Zeit wurden die sehr wenigen noch lebenden Drachen im Siebengebirge (niemand weiß die genaue Zahl) weiter nach Süden gedrängt und fanden –Drachengott-sei-Dank- beim inzwischen gegründeten Wildpark Rolandseck endlich ein geschütztes Habitat mit genügend Nahrung und wichtiger Ruhezeit im Winter. Unauffällig und friedlich durchstreifen die Walddrachen die Wälder um den Park herum, tarnen sich bei nahenden Spaziergängern als schottische Hochlandrinder oder Bäume, und nur besonders feinfühlige und aufmerksame Wanderer erhaschen dann und wann einen Blick auf sie.

So. Mein Versprechen ist erfüllt. Ich schrieb diesen Text in der Hoffnung und im Vertrauen, dass die dies lesenden Menschen ein Herz haben und die scheu und zurückgezogen lebenden letzten Drachen im Siebengebirge eine Lobby und eine Chance bekommen um vielleicht – in ferner oder naher Zukunft – zu ihren Wurzeln zurückkehren zu können: in das wunderschöne Siebengebirge auf der anderen Rheinseite.
Andrea Siedler, im 5. Monat des Jahres 2014 n.Ch.

Dieser sehr alte Walddrache erzählte mir mehrere Wochen lang im Vertrauen die Geschichte seiner Art und die Herkunft der Drachen im Siebengebirge. (Foto: A.S.)
Dieser sehr alte Walddrache erzählte mir mehrere Wochen lang im Vertrauen die Geschichte seiner Art und die Herkunft der Drachen im Siebengebirge. (Foto: A.S.)

Nachtrag:
Die Aufregung und Spannung im Vorfeld dieser Niederschrift löste vor einigen Monaten bei den Drachen im Siebengebirge einen Freudentanz und psychosomatisch bedingte Blähungen aus.
Im Namen der Walddrachen spreche ich das Bedauern aus, dass dies den nahen Rolandsbogen in Mitleidenschaft gezogen hat. Die Drachen bedauern dies sehr.

A.S.

[1] Die wenigen Abkömmlinge der sehr kleinen Ofenkaulendrachen die in den Spalten überleben konnten, haben aufgrund ihrer erstaunlichen Kraft vom Siebengebirge aus Röhren und Gänge in die ganze Welt gegraben und sind heute in der Zoologie bekannt als „Nacktmulle“. Ihre Abstammung von den Walddrachen wird von der Wissenschaft bis heute verleugnet, die zurückgebildeten Stummelchen der einstmals tragfähigen Flügel als Warzen missgedeutet.

[2] Einige große Drachenskelette wurden hunderte Jahre später präpariert und genauestens untersucht. Sie dienten im 3.Reich als Modelle für militärischen Flugzeugbau, in ebendiesen Ofenkraulen. Alles natürlich streng geheim. Die Ingenieure und Forscher waren untergebracht in einer sehr gut erhaltenen, als Schulungsstätte getarnten Burg, von der aus ein unterirdischer Gang zu den Ofenkraulen führt. Nur wenige Eingeweihte wussten, was sich hinter dem Decknamen Drachenburg verbarg. Alljährliche bengalische und Himmelsfeuer (“Rhein in Flammen“) erinnern an die zum Glück missglückten Versuche, feuerspeiende Drachen mittels Technik und Chemie nachzubauen.

[3] Überzeugt von der Realität des angeblich Irrealen gründeten die Frauen eine Selbsthilfegruppe. Aus ihrer jährlich wiederkehrenden Jahrestagfeier – von der übrigen Bevölkerung amüsiert beobachtet und kommentiert– entstand die rechtsrheinische Weiber-fast-Nacht.

[4] für einen Drachen sind Monate gefühlte Sekunden

[5] seit dieser Zeit Drachen- bzw. Drachenfelser Ländchen im Wachtberger Raum genannt

[6] Noch heute wird mittels hochmoderner Technik aus dem Inneren des Denkmals heraus der Himmel abgesucht.


Stunde der Walddrachen 2015

Haben auch Sie einen Drachen in Ihrem Haus oder wissen etwas über Drachen im Siebengebirge zu berichten? Oder lebt ein Drache in Ihrer Nähe, vielleicht auf der Fassade eines Hauses oder am First eines Daches? Oder haben Sie eine kleine Geschichte über Drachen zu erzählen?

Schicken Sie dem Bundesamt für magische Wesen Bilder Ihres Drachens oder die Geschichte Ihres Erlebnisses mit einem Drachen an info@bafmw.org Unter den schönsten Beiträgen verlosen wir 10 Exemplare der „Großen Tasse mit Bundeslurch und VO zur Haltung von Drachen.“

Weitere Infos: Drachenzählaktion des Bundesamtes für magische Wesen

Einsendeschluß ist der 30. Mai 2015

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Verbreiten Sie des Amtes allumfassende Weisheit und Zuständigkeit!

Edmund Friedemann Draecker

Edmund Friedemann Dräcker ist der Nachfahre hugenottischer Einwanderer. Er wurde am 1. April 1888 in Suleyken bei Gumbinnen (Ostpreußen) geboren. Sein Vater war der Pfarrer Gotthilf Dräcker, die Mutter Frohlinde Komtesse von Stoltze-Ohnezaster.

Dräcker gehörte seit 1910 dem diplomatischen Dienst des Deutschen Reiches an. 1911 war er bereits Vizekonsul in Bombay. 1941 war er für den Gau Niederdonau tätig und sondierte hier spezielle Anbaumöglichkeiten. Die Ergebnisse publizierte er 1942 in einem „Abschlussbericht“, der in den Vierteljahresschriften zur Agrarphysiologie erschien. Im Unterschied zu seinem Biographen Hasso von Etzdorf war er auf keiner Mitgliedsliste der NSDAP oder der SA zu finden und hatte daher keine Probleme mit seiner Entnazifizierung.

Am 13. Januar 1953 wurde Dräcker zum 1. April 1953 in den Ruhestand versetzt. 1959 kehrte er von einer Geheimmission nach Beirut nicht zurück.

Am 1. April 1982, in einer Hochphase des Kalten Krieges, meldete die FAZ, Dräcker habe auf einer großen Eisscholle der Antarktis die Bundesflagge gehisst und Souveranitätsansprüche angemeldet. Die Ostberliner Zeitschrift Horizont geißelte die Aktivitäten „imperialistischer Monopole“.

Nach 1985 war er kurzzeitig als Sonderberater der Europäischen Kommission in Brüssel für die Normierung von Seemannsgarn zuständig.

Dräcker soll es hauptsächlich zu verdanken sein, dass die früher weit verbreitete tierquälerische Praxis des Aufbindens von Bären heute in den meisten europäischen Staaten verboten ist. Dräcker soll Jakob Maria Mierscheid, SPD-Bundestagsabgeordneter seit 1979, in seiner außergewöhnlich vielseitigen Arbeit unterstützt haben.

Im Jahr 1974 soll Dräcker federführend an der Aushandlung des Shanghaier Kugelfischabkommens beteiligt gewesen sein.

Aktuell ist Dräcker Präsident des Bundesamtes für Magische Wesen. Ihm wird folgendes Zitat zugeschrieben: „Wenn es ein Bundesamt für die Verwaltung magischer Wesen gibt, dann gibt es magische Wesen in Deutschland. Denn die Idee, es gäbe eine deutsche Behörde ohne Sinn und Zweck, ist einfach völlig absurd“.

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