Slavistik

Die Slawistik oder slawische Philologie (auch Slavistik bzw. slavische Philologie) ist die Wissenschaft von den slawischen Sprachen und Literaturen. Sie gliedert sich also in Sprach- und Literaturwissenschaft, „während Historiker, Theologen, Archäologen, Kunsthistoriker, Pädagogen, Geographen, Wirtschaftswissenschaftler, Juristen, Politologen, Soziologen, die sich mit den slavischen Ländern befassen, nicht zur ‚Slavistik‘ im Sinne der deutschen Hochschulsystematik gerechnet werden.“ All diese Disziplinen werden mit der Slawistik zur Osteuropakunde zusammengefasst (so z. B. in der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde).

Innerhalb der Slawistik unterscheidet man zwischen den ostslawischen, westslawischen und südslawischen Sprachen, Literaturen und Kulturen. Nach den behandelten Sprachen lässt sich die Slawistik weiter gliedern in Belorussistik, Bohemistik, Bulgaristik, Kaschubologie/Pomoranistik, Kroatistik, Makedonistik, Polonistik, Russistik, Serbistik, Serbokroatistik, Slowakistik, Slowenistik, Sorabistik und Ukrainistik. Außerdem werden für die Erforschung des Altkirchenslawischen und des Urslawischen bisweilen Ausdrücke wie Altslawistik, Paläoslawistik oder Kirchenslawistik gebraucht.

Der Dachverband der weltweiten Slawistik ist das Internationale Slawistenkomitee, das fünfjährlich den alle Fachgebiete umfassenden Internationalen Slawistenkongress durchführt. Der deutsche Dachverband ist der Verband der deutschen Slavistik, der dreijährlich den Deutschen Slavistentag veranstaltet, in Österreich gibt es die Österreichische Gesellschaft für Slawistik (OeGSl) und in der Schweiz die Schweizerische Akademische Gesellschaft für Osteuropawissenschaften.

Einen umfassenden Überblick über die Sprachen, ihre Klassifikation, geographische Verbreitung und Sprecherzahlen bietet der Artikel Slawische Sprachen.

Wichtige Teilgebiete des Studienfaches Slawistik sind neben der Sprachausbildung die slawische Sprachwissenschaft (Linguistik), die slawische Literaturwissenschaft sowie in neuerer Zeit auch die slawische Kulturwissenschaft und Medienwissenschaft.

Die slawische Sprachwissenschaft
Die slawische Sprachwissenschaft erforscht, dokumentiert und vermittelt die Entwicklung der slawischen Sprachen von den Anfängen bis zur Gegenwart. Zu den sprachwissenschaftlichen Untersuchungsbereichen der Slawistik gehören die üblichen linguistischen Teildisziplinen, wie Phonetik, Phonologie, Morphologie, Syntax, Semantik (Wort- und Satzbedeutungslehre), Pragmatik, Etymologie, Dialektologie, Historische Linguistik und Soziolinguistik.

Die slawistische Sprachwissenschaft dient den sprachhistorischen, sprachgeographischen und sprachkulturellen Studien der slawischen Völker. Dabei berücksichtigt werden nicht nur wechselseitige sprachliche Einflüsse der Slawen untereinander, sondern auch Wechselwirkungen mit den benachbarten nichtslawischen Völker- und Sprachgruppen (z. B. romanische oder germanische Sprachen).

Zum Gegenstandsbereich der Slawistik gehören neben den heute gesprochenen auch die ausgestorbenen slawischen Sprachen, wie z. B. Altkirchenslawisch, Kirchenslawisch, Slowinzisch und das Polabische.

Slawische Literaturwissenschaft
Die slawische Literaturwissenschaft ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit den slawischen Literaturen. Sie setzt sich im Wesentlichen aus den Teilgebieten Literaturgeschichte, Literaturtheorie, Literaturinterpretation und Literaturkritik zusammen und gliedert sich nach inhaltlichen Kategorien wie Gattungen beziehungsweise Formen, Stoffen, Motiven; historischen Epochen und Autoren. Weitere Gebiete bilden die Wirkungsgeschichte und Rezeptionsgeschichte.

Es gibt einen engeren und einen weiteren Literaturbegriff. Im weiteren Literaturbegriff wird alles Geschriebene zur Literatur gezählt und im engeren nur die fiktionale Literatur. Die Literaturwissenschaft beschäftigt sich also damit, wie man Literatur definiert bzw. was genau Literatur ist und versucht Kriterien dafür aufzustellen. Dies hängt auch von verschiedenen gesellschaftlichen Konventionen ab. Die Literatur ist auch mehrdeutig und ein Prozess. Unter anderem untersuchen Literaturwissenschaftler sowohl den Kontext, als auch das Verhältnis zwischen Autor, Text und Leser (Die Rolle des Lesers). Die Literatur ist in die drei Hauptgattungen Lyrik, Prosa und Dramatik unterteilt, die in der Literaturwissenschaft bearbeitet und analysiert werden.

Die deutschsprachige, slawistische Literaturwissenschaft hat sich, wie die Literaturwissenschaft im Allgemeinen, zunehmend neueren theoretischen Feldern wie den Gender Studies und der Postkolonialen Kritik geöffnet. Die slawische Literaturwissenschaft hat in der literaturwissenschaftlichen Theorieentwicklung eine prominente Rolle gespielt: siehe dazu insbesondere Russischer Formalismus, Strukturalismus, Poststrukturalismus.

Zu den meisterforschten Bereichen der slawischen Literaturwissenschaft im deutschsprachigen Raum gehören die russische, polnische, tschechische, kroatische und die serbische Literatur. Die Literaturen anderer slawischer Völker sind dagegen erst in den letzten Jahren in das Blickfeld der deutschen Forschung gelangt.

Slawische Kulturwissenschaft
„Die Kultur kann in ihrem weitesten Sinne als die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte angesehen werden, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen. Dies schließt nicht nur Kunst und Literatur ein, sondern auch Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertsysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen.“ (UNESCO-Konferenzberichte Nr. 5, München 1983, S. 121.)

Die slawische Kulturwissenschaft ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit den slawischen Kulturen. Sie stellt ein interdisziplinäres Fach dar und vereinigt kulturelle Aspekte der Kunstwissenschaft, Literaturwissenschaft, Medienwissenschaft, Sprachwissenschaft, Ethnologie, Philosophie, Theologie, Psychologie und Soziologie.

Die slawische Kulturwissenschaft wurde besonders durch die semiotische Theorie von Juri Lotman geprägt. Ausgehend von den Arbeiten der russischen Formalisten entwickelte Lotman eine kulturwissenschaftlich orientierte Semiotik (Lehre von Zeichen). Neben natürlichen Zeichen (wie Symptome, Anzeichen und Phänomenen), welche über keine Zwecksetzung verfügen, gibt es kulturelle Zeichen, die für die Menschen durch Codes (Konventionen) kenntlich gemacht werden und eine kommunikative Funktion besitzen (z. B. Verkehrszeichen, Kopfnicken).

Lotman, welcher nicht nur in der Literaturwissenschaft Bedeutung erlangte, indem für ihn nicht die zeitliche Struktur der Erzählung, sondern jene räumliche im Vordergrund stand, prägte den Begriff der Semiosphäre:

„Eine Semiosphäre ist ein semiotischer Raum, die Gesamtheit aller Zeichenbenutzer, Texte und Codes einer Kultur, sie ist ein semiotisches Kontinuum angefüllt mit semiotischen Gebilden allen Typs.“
Im Inneren der Semiosphäre sind Codes, Texte und Zeichenbenutzer aufeinander abgestimmt. Da sich eine Semiosphäre nur über eine fremde Semiosphäre definiert, gibt es Grenzpunkte, welche einen wichtigen funktionellen und strukturellen Ort darstellen, an welchem Übersetzungsprozesse stattfinden, durch welche neue Codes entstehen. Überträgt man diesen Mechanismus auf den Entstehungsprozess von Sprachen, ergibt sich folgendes Beispiel: Stellt man sich eine Sprache als eine Semiosphäre vor, welche in Kontakt zu einer anderen tritt, entsteht eine neue Sprache, die aus Elementen der jeweiligen Sprachen besteht (z. B. Spanglisch). Juri Lotman leistete mit seinem Modell einen entscheidenden Beitrag zur semiotischen Kulturtheorie und war Mitbegründer der Tartuer-Moskauer Schule. Die Mitglieder der Tartuer-Moskauer Schule wandten sich bewusst gegen eine ideologisierte Wissenschaft. Ihr Ansatz bestand und besteht noch heute darin, anhand von Zeichen (seien sie sprachlicher Natur oder nicht) eine tiefergehende, interdisziplinäre Analyse von Kultur durchführen zu können. Zum Verständnis kultureller Begebenheiten und Prozesse seien Verfahren aus verschiedensten Disziplinen notwendig wie der Ethnologie, Soziologie, Anthropologie, Linguistik oder Psychologie. Die Schwierigkeiten eines solch breiten Ansatzpunktes zu überwinden, gehört noch heute zu den Zielen der Semiotik-Institute in Estland und Russland. (Quelle: Wikipedia)

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