Kulturelles Erbe als Angriffsziel
US-Verteidigungsminister Esper distanziert sich von Trump-Drohung
Washington, Vereinigte Staaten (AFP) – Ob die verwinkelte Altstadt aus Lehmhäusern von Jasd, die Ruinen der jahrtausendealten Metropole Persepolis oder der riesige historische Basar von Tabris: Der Iran ist reich an Zeugnissen seiner langen Geschichte. 22 der iranischen Kulturstätten zählt die UN-Kulturorganisation Unesco zum Welterbe.
US-Präsident Donald Trump hat damit gedroht, Kulturstätten zu zerstören, sollte Teheran mit militärischer Gewalt auf die Tötung des iranischen Generals Kassem Soleimani durch die USA reagieren. „Wir lassen es zu, dass sie unsere Leute töten. Wir lassen es zu, dass sie unsere Leute foltern. Warum sollten wir dann nicht das Recht haben, ihre Kulturstätten anzugreifen?“, sagte Trump vor Journalisten in der Präsidentenmaschine Air Force One.
52 strategisch und kulturell wichtige Stätten hat der Präsident im Visier, wobei die Zahl auf die 52 US-Bürger Bezug nimmt, die iranische Studenten 1979 in der US-Botschaft als Geiseln genommen hatten.
Die Drohung löste einen Sturm der Entrüstung aus. Angriffe auf kulturelle Stätten wären ein „Kriegsverbrechen„, urteilte nicht nur der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif, sondern auch Juristen, frühere Diplomaten und die Opposition in den Vereinigten Staaten zeigten sich empört.
Trumps Drohung sei „unmoralisch und widerspricht amerikanischen Werten“, sagte Nicholas Burns, Harvard-Professor und ehemaliger Nato-Botschafter unter dem früheren republikanischen Präsidenten George W. Bush. Er verwies darauf, dass Washington eine Resolution unterstützt hat, die die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) daran hindern sollte, Welterbestätten wie das antike Palmyra in Syrien zu zerstören.
Sarif zog eine Parallele zwischen dem IS und Trumps Androhung. „Eine Erinnerung an diejenigen, die davon träumen, die Kriegsverbrechen des IS nachzuahmen, indem sie unser kulturelles Erbe ins Visier nehmen: In den Jahrtausenden unserer Geschichte haben Barbaren immer wieder unsere Städte und Denkmäler verwüstet und unsere Bibliotheken verbrannt“, twitterte er. „Und wo sind wir jetzt? Wir sind immer noch hier.“
Andere verglichen Trumps Ankündigung mit der Zerstörung der riesigen Buddhastatuen im afghanischen Bamijan 2001 durch die radikalislamischen Taliban. „Sie drohen mit Kriegsverbrechen“, entgegnete die demokratische Senatorin und Präsidentschaftsbewerberin Elizabeth Warren Trump. „Wir sind nicht im Krieg mit dem Iran. Die Amerikaner wollen auch keinen Krieg mit dem Iran.“
Colin Kahl, ehemaliger Sicherheitsberater des ehemaligen demokratischen Vizepräsidenten Joe Biden, bezweifelt, dass die Drohung umgesetzt wird. „Trump mag sich nicht um die Gesetze kümmern, aber Beamte und Anwälte schon“, schrieb er im Onlinedienst Twitter. „Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass das Pentagon Trump Ziele liefern würde, die iranische Kulturstätten einschließen.“
Die Unesco ermahnte Washington, sich an internationale Übereinkommen zum Schutz von Kulturstätten zu halten. Die USA hätten zwei Konventionen ratifiziert, in denen sie sich verpflichten, kulturelle Stätten in bewaffneten Konflikten zu verschonen, erklärte die Organisation in Paris.
Inzwischen hat sich US-Verteidigungsminister Mark Esper von Präsident Trump distanziert. „Wir werden uns an die Gesetze bewaffneter Konflikte halten“, beteuerte der Pentagon-Chef.
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© Agence France-Presse
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