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Neuer Rekord bei Austritten aus katholischer Kirche

Bätzing "zutiefst erschüttert" von Sprung auf 360.000

Kirchenaustritte aus der katholischen und evangelischen Kirche in Deutschland (via AFP)
Kirchenaustritte aus der katholischen und evangelischen Kirche in Deutschland (via AFP)

Bonn (AFP) – Die katholische Kirche in Deutschland hat nach einem massiven Anstieg im vergangenen Jahr einen neuen Rekord bei den Kirchenaustritten verzeichnet. 2021 traten fast 360.000 Menschen aus der Kirche aus und damit 86.567 mehr als im bisherigen Rekordjahr 2019, wie die Deutsche Bischofskonferenz am Montag in Bonn mitteilte. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Limburgs Bischof Georg Bätzing, zeigte sich von diesem sprunghaften Anstieg „zutiefst erschüttert“.

Im vergangenen Jahr war der schon seit Jahren anhaltende Missbrauchsskandal der katholischen Kirche in Deutschland weiter eskaliert. Insbesondere sorgte die Aufarbeitung im Erzbistum Köln und das Verhalten des dortigen Kardinals Rainer Maria Woelki für massive Kritik. Im Erzbistum Köln gab es 40.772 Kirchenaustritte, gegenüber 17.281 Fällen im Vorjahr war dies mehr als eine Verdopplung.

Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller brachte die deutschlandweiten Rekordzahlen in direkten Zusammenhang mit den Vorgängen in Köln und sprach im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ von einem „Woelki-Tsunami“. „Der dramatische Erosionsprozess in der katholischen Kirche schreitet ungehemmt voran“, sagte Schüller der Zeitung laut Vorabmeldung.

Die in der katholischen Kirche besonders dramatische Entwicklung zeigt sich auch im Vergleich mit der evangelischen Kirche. Den 359.338 ausgetretenen Katholiken stehen 280.000 Protestanten gegenüber, die ihre Kirche verließen. Einen so deutlichen Unterschied der Austrittszahlen zwischen den beiden Volkskirchen hatte es zuletzt vor 25 Jahren gegeben, damals waren deutlich mehr evangelische Christen ausgetreten. Die Evangelische Kirche veröffentlichte ihre Zahlen bereits im März.

Aus welchen Gründen Gläubige aus der Kirche austreten, müssen sie nicht angeben. Bätzing machte aber selbst die Amtskirche und deren Skandale verantwortlich. „Die Skandale, die wir innerkirchlich zu beklagen und in erheblichem Maße selbst zu verantworten haben, zeigen sich in der Austrittszahl als Spiegelbild.“ Der Limburger Bischof zeigte sich skeptisch, dass es eine Kehrtwende in der Entwicklung geben wird. „Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass die Kirchen wieder voller werden oder die Zahl der Gläubigen wieder steigt.“

Sodom - Macht, Homosexualität und Doppelmoral im Vatikan
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Es würden mittlerweile nicht nur Menschen austreten, die schon über einen längeren Zeitraum keinen Kontakt mehr zur Kirche hatten, sondern vermehrt auch bisher sehr engagierte Katholiken. Bätzing räumte ein, dass der als Aufbruchssignal gedachte sogenannte synodale Weg offenbar noch nicht in diesem Sinn bei den Menschen angekommen sei.

Von den Rekordaustrittszahlen zeigte sich auch der Sprecher der von Missbrauchsopfern gegründeten Initiative Eckiger Tisch, Matthias Katsch, betroffen. „Es klingt paradox, aber die Nachricht, dass im vergangenen Jahr wieder zahlreiche Menschen der Kirche den Rücken gekehrt haben, ist für Menschen, die in dieser Kirche Opfer von sexuellem Kindesmissbrauch geworden sind, keineswegs eine gute Nachricht“, sagte Katsch dem Portal t-online.de.

Natürlich zeige sich in den Austritten der Protest der Menschen gegen den Umgang der Amtskirche mit ihren Opfern. „Aber für die Betroffenen ist vor allem wichtig, dass die Kirchenmitglieder sich dafür einsetzen, endlich notwendige Hilfen und tatsächliche Entschädigungen voranzubringen und die unrühmliche Praxis der ‚Anerkennungsleistungen‘ zu beenden.“

Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp, forderte die katholische Kirche auf, wieder mehr auf die Menschen zuzugehen. „Religiös zu leben, hat heute ganz viel mit Vertrauen zu tun, umso mehr, als Institutionen ihre Macht verlieren, nicht mehr automatisch respektiert werden“, sagte Stetter-Karp t-online.

„Also ist die Kirche herausgefordert, Vertrauen zu wecken“, fügte die Laienvertreterin hinzu. Dies gelinge „durch Menschen, die vertrauenswürdig sind“ und „die nicht darauf warten, dass Menschen zu ihnen kommen, sondern die zu den Menschen gehen, mitten hinein in deren Lebenswelten„.
ran/cfm

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