Über einen Oberst a.D. und seinen vermutlich queeren Enkel
Einer der Tage, die manchmal Überraschungen mit sich bringen. Ein Samstag, draußen war schönstes Wetter und eine Ahnung von Vorfrühling lag in der Luft.
BONN (BAfmW) – Gestern war so einer der Tage, die manchmal Überraschungen mit sich bringen. Ein Samstag, draußen war schönstes Wetter und eine Ahnung von Vorfrühling lag in der Luft. Ich war dabei, meine Rosen zu schneiden, nachdem die Öffnungszeiten unseres Lädchens beendet war.
Was natürlich niemanden abhält, trotzdem neugierig zu sein. Das Tor stand offen und ein Besucher spazierte herein. Ein älterer Herr, kerzengerade Erscheinung, schlohweißes Haar, kantige Gesichtszüge.
„Entschuldigen Sie bitte, wenn ich störe. Darf ich Sie mal etwas fragen?“, erkundigte er sich höflich, und als ich nickte und ihn hereinbat – in Erwartung, dass sich da jemand über unser Bundesamt erkundigen wollte – kam auch schon die Frage, was das denn sei, das Bundesamt für magische Wesen.
Ich erklärte es ihm, denn wer nett fragt, ist bei uns willkommen und bekommt bei uns immer eine nette Antwort. Dann machte ich mit ihm die kleine Tour durch die Entstehungsgeschichte unseres Fantasyportals und Verlages. Zeigte ihm das Büro, früher das Postamt unseres Stadtteils sowie den kleinen Laden mit den Fanartikeln, meinen Büchern und Imkereiprodukten.
Zwischendurch kam heraus, dass er lange im Verteidigungsministerium gearbeitet hatte und als Oberst pensioniert worden war. Mittlerweile war er verwitwet. Er war auch im Ausland an deutschen Botschaften unterwegs gewesen und unser Amtspräsident Dräcker war ihm als Erfindung des Auswärtigen Amtes ein Begriff. Ein nettes Gespräch, er war amüsiert und lachte.
So weit so gut, ein Erlebnis, wie es nicht selten bei uns vorkommt.
Dann kam ich auf unser Fassadenprojekt zu sprechen, erklärte ihm, wie wütend mich dieses Attentat eines islamistischen Attentäters auf fröhlich feiernde Partygänger gemacht hätte, ebenso der von der eigenen Mutter begangene Mord an dem jungen Brasilianer Itaberli Lozano, oder der Hass, der LGBTI-Menschen aus rechten und religiösen Kreisen immer noch entgegen gebracht wird. Ich zeigte ihm die ersten Entwürfe von SlippedDee, erklärte ihm, dass wir ein Crowdfunding gestartet hätten und wie so etwas liefe.
Er wurde ernst, hörte aufmerksam zu und fragte manchmal nach, wenn ihm etwas unklar war. Die Zwischenfragen verrieten, dass wir beide so ziemlich auf einer Wellenlänge lagen, was gewisse politische „Alternativen“ betrifft.
Dann erzählte er mir etwas von sich. Er sagte, dass er seine Schwierigkeiten damit gehabt hätte und manchmal auch noch hätte, was die schwule Szene und ihr Auftreten (Stichwort CSD) beträfe. Das sei einfach nicht seine Welt. Was nicht bedeute, dass er dagegen sei. Es sei eben nicht seine Welt.
„Das Buch ist für meinen Enkel. Damit er sieht, dass sein Opa ihn unterstützen wird. Der Rest ist für Ihre Wand. Machen Sie das, und wenn es fertig ist, werde ich es ihm zeigen.“
Aber er hätte einen jungen Enkel von sechzehn Jahren und von diesem Jungen würde er vermuten, dass er schwul sei. Der Enkel hätte bei Besuchen schon öfter über das Thema gesprochen, noch nie eine Freundin gehabt, obwohl er – seine Worte – ein toller Hecht sei. Sportlich, guter Fußballer, freundlich und ein guter Schüler. Ab und an würde er ihm sein Taschengeld ein bisschen aufstocken, was man als Opa eben so macht.
Und dann erzählte er, dass sein Enkel sehr traurig gewesen sei, als das Attentat von Orlando passierte. Fassungslos sei er gewesen und hätte ihn gefragt, warum Menschen so etwas täten. Sie hätten darüber geredet und er hätte gesehen, wie nahe das Attentat seinem Enkel gegangen sei. Als ob es ihn selber getroffen hätte.
Dann ging er an mein Bücherregal, nahm eines meiner Bücher und gab mir 200 Euro.
„Das Buch ist für meinen Enkel. Damit er sieht, dass sein Opa ihn unterstützen wird. Der Rest ist für Ihre Wand. Machen Sie das, und wenn es fertig ist, werde ich es ihm zeigen.“
Ich habe mich bedankt, das Buch signiert, für den Jungen ein paar A3-Drucke der Illustrationen von mandelbrot dazu gelegt und bekam auf Nachfrage von meinem Besucher das Einverständnis, über diesen Besuch zu schreiben.
Können Samstage nicht immer so sein? 🙂
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